Crime Stories XXVIII – Verhör ohne Gnade

Ein herzliches Willkommen aus Michas Wohnzimmer. Bei Kerzenschein und Kölsch besprechen die beiden heute einen Fall, den Stephan vorbereitet hat. Micha weiß noch nicht, worum es geht.

Stephan findet den Fall besonders, er kündigt ihn als eines der größten Deseaster der amerikanischen Justizgeschichte an. Micha verspricht, diesmal nicht kratzbürstig zu werden, auch weil der Talk diesmal nicht nachbearbeitet wird (Anm. d. Red.: “No cuuuuaaat”). Sämtliche Entgleisungen bleiben dem Hörer also erhalten.

Stephan stellt die Hauptperson der heutigen Geschichte, Omar Ballard, vor:

Er ist der Sohn einer drogensüchtigen, schwarzen Prostituierten aus New Jersey, seinen Vater, der weiß ist, lernt er nie kennen. Die Mutter hat ebenfalls kein Interesse an ihm, schon als Kind ist er auffällig, er wird von Pflegefamilie zu Pflegefamilie gereicht. Mit 19 bricht er die Schule ab, ist arbeitslos und pleite.

Es ist 1997, er ist ca 20 Jahre alt. Seine Wut richtet sich nun auch immer öfter gegen Frauen.

Er nimmt Kontakt zu einer Freundin mit 2 Kindern in Norfolk, Virginia, auf, welche in einem Stadtviertel lebt, in dem aufgrund eines nahen Marinestützpunkts auch viele Matrosen leben. Schließlich bleibt er in der Gegend.

Hier versucht er mit einem Baseballschläger eine Frau zu überfallen, was ihm jedoch nicht gelingt. Er flüchtet in die Wohnung von Billy und Michelle Bosko, die gerade frisch verheiratet sind. Diese kennt er über die gemeinsame Freundin Tamika. Hier geschieht ihm zunächst nichts. Zwei Wochen später besucht er Michelle jedoch noch einmal, dieses Mal ist Billy nicht zuhause. Es ist der 7.7. 97. Omar überfällt und vergewaltigt sie, sie wehrt sich, wird aber von Omar so lange gewürgt, bis sie das Bewusstsein verliert. Kurz danach tötet er sie mit einem Messer. Mit ein paar Dollar verschwindet er aus dem Haus.

Am Folgetag kommt Billy nach Hause und ruft sofort die Polizei. Diese findet die Spuren und wissen schnell, dass hier ein Einzeltäter gehandelt haben muss, welchen die Frau gekannt haben muss. Die Tür wurde nicht aufgebrochen. Die einzigen gefundenen DNA-Spuren gehören zu Michelle und Omar.

Spoiler: zwei Jahre nach der Tat wird Omars DNA untersucht und auch das Blut unter Michelles Fingernägeln ist ihm zuzuordnen.

The Disturbing Case of the Norfolk Four | TIME

Norfolk Four – Wikipedia

Norfolk Four: Erzwungene Mord-Geständnisse – Matrosen nach 20 Jahren begnadigt – WELT

Zunächst arbeitet die Polizei jedoch an einem anderen Szenario.

Detective Judy Gray vernimmt Leute vor Ort, stößt dabei auch auf Freundin Tamika, die angibt, der Täter könne Nachbar Dan Williams (Verdächtiger Nummer 1) sein. Er habe sie schon immer attraktiv gefunden. Dan Williams ist 25 Jahre alt, streng erzogen worden, Pfadfinder und bleibt ruhig, als die Polizei ihn auf die Wache zitiert. Dan Williams verzichtet auf einen Anwalt, da er seiner Meinung nach nichts zu verbergen hat.

Stephan lässt kurz sein geballtes Jura-Wissen (Anm. d. Red.: aus seinem Studium!) einfließen und empfiehlt unbedingt, auch bei eigener Unschuld, einen Anwalt einzuschalten. Es entbrennt eine kurze Diskussion über Rechtsschutzversicherungen.

Zurück zum Fall: Dan Williams wird an einen Lügendetektor angeschlossen, er besteht den Test. Die Polizei behauptet ihm gegenüber jedoch das Gegenteil. Auch das Alibi, welches seine Frau ihm geben kann, ist der Polizei egal. Schließlich stellt man sein Erinnerungsvermögen in Frage, bis er schlussendlich selbst zweifelt und eine Tat gesteht, die er nicht begangen hat. Für die Cops ist der Fall gelöst.

Nach einer Nacht widerruft Dan Williams jedoch sein zuvor gemachtes Geständnis und sein Strafverteidiger weiß aus Erfahrung, dass es nun nur noch eine Möglichkeit gibt, der Todesstrafe zu entgehen: einen Deal mit der Polizei und Staatsanwaltschaft einzugehen. Bei Anerkennung seiner Schuld könnte man eine lebenslängliche Freiheitsstrafe erwirken, ohne jedoch zum Tode verurteilt zu werden. Doch Williams möchte das nicht.

Omar Ballard begeht inzwischen seine nächste Straftat, Vergewaltigung einer 14-Jährigen, wird verhaftet und landet im Gefängnis in New Jersey. Inzwischen stirbt Williams’ Ehefrau an Eierstockkrebs.

5 Monate später ist endlich das DNA-Ergebnis da. Keine Übereinstimmung mit Williams. Dies wird aber nicht an Williams’ Anwälte weitergegeben, da die Polizei weiterhin auf den Deal drängt. Williams lehnt nach wie vor ab.

Die Polizei glaubt nun an einen Komplizen Williams’. Als Verdächtigen haben sie Joe Dick im Auge (Verdächtiger Nummer 2), der mit Williams im gleichen Haus wohnt. Sie greift ihn auf, er ist ein leichtes Fressen für die Polizei: sehr introvertiert, leicht zu manipulieren. In der Vernehmung verzichtet auch er auf einen Anwalt, sein Alibi wird gekonnt von der Polizei ignoriert. Alles läuft wie bei Verdächtigem Nummer 1.

2 Monate später: schlechte Nachrichten für die Polizei. Auch bei Joe Dicks gibt es keinen DNA-Treffer.

Wie kommt man nun an einen neuen Verdächtigen? Glenn Ford, skrupelloser Polizist in den vorherigen Vernehmungen, bezahlt Joe Dicks Zellengenossen, um ihn ausspionieren zu lassen. Plötzlich fällt ein neuer Name: Eric Wilson, ein Matrose. Wilson wird ausfindig gemacht (Verdächtiger Nummer 3). Alles verläuft ähnlich absurd wie bei 1 und 2. (Anm. d. Red.: Man hört förmlich Michas Augenrollen!). 2 weitere Monate später gibt es auch hier keine Übereinstimmung bei der DNA.

Wir kommen zu Verdächtigem Nummer 4, den Joe Dick in einer neuen Vernehmung verzweifelt aus dem Hut zaubert. Derek Tice. Ein Swat-Team überrascht ihn zuhause und nimmt ihn mit.

LAPD – SWAT

Das Prozedere bleibt das Gleiche. Micha ist genervt. Tice erwähnt in seiner Ausweglosigkeit zwei weitere Namen, Geoffrey Farris (Nummer 5) und John Pauley (Nummer 6) (Anm. d. Red.: im Podcast wird von Rick Pauley gesprochen und Nummer 5 und 6 werden im Verlauf vertauscht … wen wundert das bei diesem Vernehmungs-Chaos?). Auch hier sind die DNA-Ergebnisse natürlich negativ.

Micha hat die Schnauze voll und erwartet Nummer 7 … und er wird nicht enttäuscht. Ein John Dancer “betritt die Bühne”, auch er landet im Gefängnis und auch bei ihm sind die DNA-Ergebnisse keine Treffer.

Während die Polizei nach Nummer 8 sucht, schreibt Ballard einer Freundin einen Brief aus dem Gefängnis und gesteht die Ermordung von Michelle. Eine DNA-Analyse bestätigt alles. Außerdem gibt er zu, die Tat alleine begangen zu haben.

Die Polizei bleibt jedoch bei ihrer These, dass auch die anderen Männer dabei waren, obwohl etliche Fakten dagegensprechen. Die zu unrecht beschuldigten Männer sitzen so weiterhin im Gefängnis.

Auch mit Ballard wird nun ein Deal eingegangen, damit die Fehler der Polizei nicht in einem neuen Prozess aufgedeckt werden können.

Hier schließen sich die Akten des heutigen Falls. Zu erwähnen ist aber noch die Organisation “Innocence Project”, die sich um unschuldig verurteilte Personen kümmert.

About – Innocence Project

Im August 2009 werden die noch im Gefängnis sitzenden, unschuldigen Männer begnadigt.

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